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![Die Feldarbeit mit Hacke und Harke ist hart, aber Unkrautvernichtungsmittel sind auf dem Bio-Hof tabu. Die Feldarbeit mit Hacke und Harke ist hart, aber Unkrautvernichtungsmittel sind auf dem Bio-Hof tabu.](https://www.weser-kurier.de/cms_media/module_img/6023/3011529_1_articledetailpremium_B59P6288.jpg)
Die Feldarbeit mit Hacke und Harke ist hart, aber Unkrautvernichtungsmittel sind auf dem Bio-Hof tabu. (fotos: Christian Kosak)
Lilienthal. Seine Leidenschaft ist das Gemüse. Felix Hannig hat eine Ausbildung zum Bio-Gärtner in Berlin gemacht. Nun lebt der 36-Jährige auf dem eigenen Hof inmitten der Hammewiesen im Lilienthaler Ortsteil Worphausen. Auf zwei Hektar wächst das Gemüse, weitere zwei Hektar sind Blühflächen, ein Hektar wird bereits für das nächste Jahr vorbereitet – und im neuen, 300 Quadratmeter großen Gewächshaus duftet es nach frischen Kräutern. Felix Hannig ist kein alternativer Träumer. Der Existenzgründer arbeitet hart für seinen Traum.
Gleich vorne an der Hofeinfahrt an der Lüninghauser Straße 37 leuchten der Besucherin die frisch geernteten Pflanzen entgegen: grüne Zucchini, lila Aubergine und Rote Bete. Die Direktvermarktung ist ein wichtiger Baustein im Hofkonzept. Wie fast überall hier in der Gegend führt ein alter Klinkerweg hinauf zum Bauernhaus. Das Gebäude ist in die Jahre gekommen, doch Hannig schreckt vor der Sanierung nicht zurück. Gleich dahinter erstrecken sich die Felder. Salat, Möhren, Bohnen und Fenchel gedeihen gut in der Weite der Moorlandschaft. Hannig baut auch Kohl an, verschiedene Sorten, sogar Schwarzkohl aus der Toskana, den hier kaum einer kennt. Wer mag, bekommt das Rezept gleich mitgeliefert.
Harte Arbeit mit Hacke und Harke
Auf den Blühflächen summt und brummt es. Hier strahlt das Blau der Phacelia mit dem wolkenfreien Himmel um die Wette. „Der Boden ist sandig und mager, hat wenig Nährstoffe“, weiß Hannig. So sind die Blühstreifen nicht nur ein Paradies für Bienen und Hummeln, sondern dienen auch dem Humusaufbau. Zwei junge Frauen haben das Feld entdeckt und machen Selfies. Schöner könnte eine Fotokulisse nicht sein. Hinter den Blühflächen erstreckt sich saftiges Weideland. Ruhig grasen dort Rinder.
Zehn bis zwölf Stunden arbeitet Hannig am Tag, jedenfalls jetzt in der Erntezeit. Es ist eine harte Arbeit mit Hacke und Harke. Gemeinsam mit der Auszubildenden Julia Pointner macht er sich daran, das Unkraut zu jäten. Die 31-Jährige ist eigens für die Ausbildung von Österreich nach Norddeutschland gekommen. „Die ökologische Landwirtschaft ist im Grunde nur eine Rückbesinnung auf alte Techniken“, erklärt Hannig. Pestizide und Insektizide kommen bei ihm nicht aufs Feld. Da die Ländereien aber bislang konventionell bewirtschaftet wurden, steckt der Existenzgründer noch mitten in der Umstellungsphase. „Das erste Jahr war hart“, sagt er. Man kann in seinem Gesicht lesen, wie ernst er das meint.
Im ersten Jahr musste er sein Bio-Gemüse noch zu konventionellen Preisen verkaufen, weil der Boden noch nicht umgestellt war. Nun, im zweiten Jahr, sind die Pflanzen Umstellungsware, günstiger als Bio-Gemüse, aber teurer als herkömmliche Produkte. Erst im nächsten, im dritten Jahr darf er den Bio-Preis für seine Feldfrüchte verlangen. Das erinnert ein wenig an die Geschichte der Moorbauern, die das Land vor rund 270 Jahren besiedelten: „Den Ersten sien Doad, den Tweten sien Not, den Dridden sien Broad.“ Demnach bedeutet das Moor für die erste Generation den Tod, für die zweite die Not und erst für die dritte das Brot.
Heute allerdings gibt es Unterstützung vom Staat. Die Prämien, weiß Hannig, seien in der Umstellungsphase höher, aber darauf zählen sollte man nicht. „Viele schrecken vor der Bürokratie zurück“, erzählt er. Am Ende aber mache es keinen Unterschied, ob man die Flächenprämie für ein ökologisch oder konventionell bewirtschaftetes Feld beantrage. Beraten lässt sich der Existenzgründer vom niedersächsischen Kompetenzzentrum Ökolandbau, doch das sei auch nicht gratis.
Die Sonne scheint an diesem Sommertag besonders intensiv. Der Gemüsebauer trägt ein Cap, dazu kurze Hosen und stabiles Schuhwerk. Seinen Händen sieht man die Arbeit an. Unter der Schirmmütze lugt das schwarze Haar hervor. Felix Hannig sieht nicht aus wie einer, der auf dem Land groß geworden ist. Das liegt wohl an der Zeit, die er in Berlin verbracht hat. Tatsächlich kommt er aber ganz aus der Nähe aus einem kleinen Dorf namens Schmalenbeck bei Grasberg. Sein Vater hat dort einen Garten- und Landschaftsbaubetrieb. Die Liebe zu den Pflanzen liegt also irgendwie in der Familie, auch wenn Welten zwischen dem Öko-Hof in Worphausen und der Grasberger Gartengestaltung liegen.
Anders als Kreislandwirt Stephan Warnken ist Felix Hannig davon überzeugt, dass es eine Nachfrage für Bio-Gemüse gibt. Bio, das ist für ihn keine Nische, sondern die Zukunft. Vor allem regional sollen die Produkte sein, meint Hannig. Damit sei er gar nicht so weit entfernt vom konventionellen Anbau, der ebenfalls zunehmend auf eine regionale Vermarktung setzt. Kritisch sieht er allerdings die Bio-Ware in den Supermärkten. „Die Discounter drücken die Preise“, klagt er.
Schon im kommenden Jahr will Hannig eine solidarische Landwirtschaft aufbauen. Das ist seine Antwort auf die alte Wachstumsstrategie, die sich seiner Meinung nach überlebt hat. Die industrielle Massenproduktion sei weder gut fürs Klima noch für die Umwelt. Dabei spielt es für Hannig keine Rolle, ob ein Betrieb konventionell oder ökologisch wirtschaftet. Auch in der Bio-Branche gebe es Betriebe, die der Natur zu viel abverlangten. Für ihn kommt es darauf an, dass er im Einklang mit dem lebt, was er tut. Warum er das alles auf sich nimmt und sich auch von Tiefschlägen nicht entmutigen lässt, weiß er genau: „Es ist eine wunderschöne Arbeit, die sich richtig anfühlt.“
Zur Sache
Förderung in der Umstellungsphase
Landwirte, die auf eine ökologische Landwirtschaft umstellen wollen, bekommen eine Förderung. Diese wird mit dem Agrarantrag im Mai beantragt. Die Unterstützung für ökologische Anbauverfahren in Niedersachsen und Bremen beträgt im ersten und zweiten Jahr ab Antragstellung 2020 für Acker- und Grünland 403 Euro pro Hektar, im dritten bis fünften Jahr 273 Euro pro Hektar, ab dem sechsten Jahr 273 Euro (Beibehaltungsförderung). Für den Gemüseanbau liegen die Fördersätze in den ersten beiden Jahren bei 900 Euro je Hektar, anschließend 390 Euro je Hektar. Bei Dauerkulturen wie Obst beläuft sich die staatliche Unterstützung in den ersten beiden Jahren auf 1275 Euro/Hektar, anschließend 750 Euro/Hektar. Der Zuschuss für Kontrollkosten beläuft sich auf 50 Euro/Hektar und maximal 600 Euro pro Betrieb. Dies geht aus Daten des Kompentenzzentrums Ökolandbau Niedersachsen hervor.
Die Umstellungsphase dauert zwei Jahre. So dürfen pflanzliche Produkte erst als „Bio-Produkte“ vermarktet werden, wenn die letzte konventionelle Maßnahme auf der betreffenden Fläche mindestens 24 Monate vor Aussaat durchgeführt wurde. Das Kompetenzzentrum Ökolandbau Niedersachsen beantwortet Anfragen von interessierten Landwirten über die Telefonhotline, lädt einmal im Monat zu Sprechtagen nach Visselhövede ein und berät auch individuell. Ansprechpartnerin ist Margrit Helberg, Telefon 04262/ 95 93 18.
August 04, 2020 at 03:00PM
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