Search

Landwirtschaft: Warum wird auch in Brandenburg soviel Mais und so wenig Gemüse produziert? - Märkische Onlinezeitung

tagberitasayur.blogspot.com

Frankfurt (Oder) (MOZ) Die Agrarwissenschaftlerin Annette Piorr beschäftigt sich am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung  (ZALF) e.V. in Müncheberg mit der Nutzung landwirtschaftlicher Flächen speziell in Brandenburg. Sie ist auch an Projekten beteiligt, die der Stärkung regionaler Nahrungsketten dienen sollen.

Frau Piorr, hat Corona die Landwirtschaft in Brandenburg verändert?

Um dies einzuschätzen, ist es noch zu früh. Ich habe eher den Eindruck, dass sich viel mehr Menschen als früher fragen: Wo kommen eigentlich unsere Nahrungsmittel her? Und: Wie sicher ist unsere Versorgung?

Am Anfang der Krise mussten wir ja feststellen, dass plötzlich Nudeln und viele andere Dinge in den Regalen fehlten. Wir haben mitbekommen, dass internationale Handelsketten anfällig sein können, wenn etwa die Grenzen geschlossen werden. Das hat uns alle erstaunt, weil wir immer dachten, dass es genug Vorräte gibt und das System schnell reagieren kann.

Ist also unser Bewusstsein für Nahrungsmittel geschärft worden?

Ich denke und hoffe schon. Die Tatsache, dass sich Deutschland nur zu circa 35 Prozent mit Gemüse und sogar nur zu 25 Prozent mit Obst selbst versorgt, wird seither viel stärker diskutiert. Und es kamen Fragen auf, wie: Wer erntet eigentlich unseren Spargel? Wieso ist der Preis von Schweinekoteletts so günstig?

Ist das jetzt eine Chance?

Es ist eine Chance für die Agrarpolitik darüber nachzudenken, ob man in der Region mehr Anreize schaffen sollte, um Produkte direkt und auf kurzem Weg aus Brandenburger Landwirtschaftsbetrieben in die Städte und auf die Berliner Märkte zu bringen. Und auch Anreize dafür zu setzen, dass die Bauern wieder mehr Feldgemüse anbauen. Es gibt ja erste Bauern, die etwa wieder Kartoffeln oder sogar Kürbisse anbauen.

Tatsächlich sieht man aber auch in diesem Sommer vor allem unendliche Mais- und riesige Sonnenblumen-Felder. Warum ist das so?

Das sind Folgen einer Entwicklung in den vergangenen 15 Jahren. Zuvor gab es ja gerade im Osten Brandenburgs noch Gemüseanbau im großen Stil. Neben regionaler Versorgung wurde seinerzeit die Erzeugung auch in große Ketten und damit auf internationale Märkte ausgeweitet, die oft rein klimabedingt Wettbewerbsvorteile hatten. Diese Konkurrenz ist für Brandenburg kaum zu halten. Es erfolgte die Umstellung auf Mais und Bioenergie.

Der Mais wird Tierfutter, das Fleisch zum Teil exportiert, nur die Gülle landet auf unseren Feldern. Also das Gegenteil von Selbstversorgung!

Mehr noch: Wir haben auch viel Mais, der direkt in die Biogas-Erzeugung geht, sowie Kartoffeln, die für industrielle Stärke verwendet werden. Der Roggen von Brandenburger Feldern kann sowohl beim Bäcker um die Ecke landen, wie auch als Futter für die Shrimps-Produktion in Japan. Auch Milchpulver wird sehr stark exportiert. Die Umweltkosten dieser globalen Produktion schlagen sich dagegen nicht im Preis nieder, sondern fallen anderweitig an, im Zweifelsfall hier.

Mais allein dafür anzubauen, dass er in Biogasanlagen verrottet, um dann aus dem Gas Strom zu erzeugen, ist doch irgendwie verrückt, oder?

Na auch dafür gibt es eben finanzielle Anreize. Und die kamen ja aus der Wirtschafts- und Energiepolitik und nicht einmal aus der Landwirtschaftspolitik. Inzwischen entwickelt sich aber zunehmend eine Konkurrenz um landwirtschaftliche Flächen. Wir sehen in Modellberechnungen, dass die Hälfte des Maisanbaus für die Bioenergie in Brandenburg auf Flächen erfolgt, die eigentlich so wertvoll sind, dass man darauf Nahrungsgüter anbauen sollte.

Warum leistet man sich ein Institut wie das ZALF, wenn das Wissen nicht angewendet wird?

Landwirtschaft prägt unsere Landschaften auch positiv und davon profitiert die Gesellschaft. Aber Bauern müssen vor allem auch Geld verdienen. Aufgrund des internationalen Wettbewerbs wird es immer schwieriger, das allein aus Profiten der Produktion zu schaffen.

Darum setzt die gemeinsame Agrarpolitik der EU finanzielle Anreize. Landwirte erhalten eine Grundstabilisierung, indem man ihnen pro Fläche eine bestimmte Fördersumme zukommen lässt. Diese Grundförderung stellt einen großen Anreiz dafür dar, große Flächen mit einheitlichen Kulturen wie etwa Mais zu bewirtschaften. Zusätzliche Anreize gibt es, wenn etwas für die Umwelt gemacht wird, etwa für den ökologischen Anbau.

Wir als ZALF vertreten die Auffassung, dass viel mehr Geld in diese zweite Säule gehen sollte, damit Landwirte auch mit nachhaltigem Wirtschaften Stabilität erzielen können. Zum anderen bemühen wir uns seit Jahren darum, wieder regionale Agrarsysteme zu etablieren.

Mit welchem Erfolg?

Es gibt sowohl in Brandenburg wie auch in Berlin Initiativen zur Schaffung von Ernährungsräten, in denen Landwirte, Bürger sowie Lokal- und Regionalpolitiker zusammenwirken. In Berlin hat das zum Beispiel dazu geführt, dass man in den Schul- und Behördenkantinen Kartoffeln aus Brandenburg anbieten will.

Warum werden diese Impulse nicht stärker gesetzt?

Man hätte vor Jahren in Brüssel vorschlagen können: Wir kappen die Flächenprämie, etwa bei 2000 Hektar. Aber gerade auch die Bundesrepublik gehörte zu den wenigen Ländern, die sich dagegen ausgesprochen haben. Man hätte auch über die zweite Säule den Gemüsebau stärker fördern können, für den regionalen und den globalen Markt, zum Beispiel über Qualitätsmarken. Im Spreewald gibt es eine regionale Gemüsemarke, die inzwischen auch global auftritt.

Der neue Trend – gerade bei ökologischen Betrieben – geht aber dahin, dass man wieder stärker auf den regionalen Markt setzt. Insgesamt brauchen wir neue politische Strategien, um dies zu fördern. Auch die EU-Kommission hat den Weg dafür geöffnet. Selbst zwei, drei Landkreise könnten zusammen den lokalen Gemüsebau fördern oder auch die Entstehung lokaler Molkereien oder Käsereien.

Es geht darum lokal neue Strukturen und Märkte zu schaffen, die Sicherheit bieten, um Landwirte zu Investitionen zu bewegen. Da müssten sich neue Netzwerke zwischen Bauern, Schäfern, Naturschützern und uns Wissenschaftlern bilden. Auch die Bildung zur Ernährung in Schulen sollte man einbinden.




August 06, 2020 at 08:15AM
https://ift.tt/2DgvY95

Landwirtschaft: Warum wird auch in Brandenburg soviel Mais und so wenig Gemüse produziert? - Märkische Onlinezeitung

https://ift.tt/2BrAGQh
Gemüse

Bagikan Berita Ini

0 Response to "Landwirtschaft: Warum wird auch in Brandenburg soviel Mais und so wenig Gemüse produziert? - Märkische Onlinezeitung"

Post a Comment

Powered by Blogger.